Archiv für den Monat Januar 2015

„Ist das noch Meinungsfreiheit?“: Teenager wegen parodistischer Charlie Hebdo-Karikatur verhaftet

US-Zeitung feiert Osama bin Laden als Freiheitskämpfer im sowjetischen Afghanistankrieg

Damalige US-Zeitung feiert Osama bin Laden als Freiheitskämpfer im sowjetischen Afghanistankrieg

Das Messen ethischer Qualität mit zweierlei Maß hat ja in den westlichen Demokratien historische Tradition: waren beispielsweise die von den USA und ihren Verbündeten ausgebildeten und waffenbelieferten Mudschaheddin im Afghanistankrieg der 1980er Jahre im Kampf gegen „die Russen“ noch Helden und Verteidiger der Freiheit, so gelten die gleichen Leute im Kampf um ihre immer noch gleiche Heimat gegen die USA heute pauschal als „Terroristen“ oder „Aufständische“. Ließe sich hierüber in Nuancen noch diskutieren, so behandeln wir heute doch unbestritten getötete Menschen je nach regionaler Zugehörigkeit in ihrer medialen Wertschätzung völlig unterschiedlich. Jüngst wies darauf die Linkspartei-Abgeordnete Sarah Wagenknecht mit folgenden Worten hin:

„Wenn eine vom Westen gesteuerte Drohne eine unschuldige arabische oder afghanische Familie auslöscht, ist das ein genauso verabscheuenswürdiges Verbrechen wie die Terroranschläge von Paris, und es sollte uns mit der gleichen Betroffenheit und dem gleichen Entsetzen erfüllen. […] Der US-Drohnenkrieg etwa, der auch von Deutschland aus geführt wird, hat schon tausende Unschuldige ermordet und erzeugt in den betroffenen Ländern Gefühle von Ohnmacht, Wut und Hass.“

Nach dem unfassbaren Hype um die erste Ausgabe des Satireblatts Charlie Hebdo nach den verabscheuungswürdigen Morden in Paris – zeitweise wurden über 100 Euro pro Exemplar bei ebay gezahlt – erfährt Frankreich mittlerweile eine wahre Terror-Hysterie mit brutaler Einschränkung des neulich noch hochgepriesenen, unantastbaren Grundwertes der Meinungsfreiheit. So wurde nun ein 16-jähriger Teenager aus Nantes verhaftet, weil er eine frühere Charlie Hebdo Ausgabe zeitaktuell karikiert hat und via Facebook publizierte, obschon sein Nutzer-Profil laut der zuständigen Staatsanwältin Yvon Ollivier „keine dschihadistischen Züge“ aufweise und der Eintrag auch nach Darstellung des Schülers ausschließlich humoristisch zu verstehen sei. Die Verhaftung des Gymnasiasten erfolgte auf Grundlage des antiquierten französischen Pressegesetzes von 1881 (!), in welchem Artikel 24 Satz 6 die „direkte Anstiftung zum Terrorismus“ wie auch „die Verherrlichung von Terrorismus“ unter Strafe stellt. [Nachtrag: laut Heise wäre die Verhaftung aber konkret auf ein im November 2014 verabschiedeten Gesetzes erfolgt, ohne dafür eine Quelle zu nennen; siehe auch unten das Update]

Seltsamerweise verliert keine einzige deutsche Zeitung auch nur ein müdes Wort darüber. Einzig „Focus online“ widmet sich der Thematik ausgiebig in dem Artikel „Ist das noch Meinungsfreiheit? 54 Verurteilungen! Frankreich geht hart gegen ‚Terrorismus-Verherrlichung‘ vor„, erwähnt aber nicht die Verhaftung des Jugendlichen wegen der parodistischen Charlie Hebdo-Karikatur.

Hier die entsprechende Originalkarikatur und ihre Parodie durch den Teenager:

Aus "Der Koran ist scheiße - schützt nicht vor Kugeln" wurde:

Aus „Der Koran ist scheiße – schützt nicht vor Kugeln“ wurde…

"Charlie Hebdo ist scheiße - schützt nicht vor Kugeln"

„Charlie Hebdo ist scheiße – schützt nicht vor Kugeln“

Kann man jetzt finden wie man will; sicherlich nicht sehr geschmackvoll und ebenso wie das Original recht provozierend – unterliegt aber klar der Kunst- und Meinungsfreiheit. Eine Verherrlichung terroristischen Handelns oder gar eine Aufforderung dazu ist hierin nicht im Ansatz feststellbar, die Verhaftung ein Skandal. Ich vermisse ganz einfach den #Aufschrei der Medien bezüglich ihrer neulich noch überall selbstkämpferisch verkündeten Meinungsfreiheit, die man in Frankreich nun aber unter dem Deckmantel der „Terrorismus-Verherrlichung“ mehr schnell als bald zu Grabe zu tragen scheint – waren wir nicht letztens noch alle Charlie?

Update 25.01.2014 – Kommentar zum Userkommentar und Gesetzesgrundlage der Verhaftung

@Rainberg Dashowitz

Den Vorwurf der schlechten Recherche kann man nur postwendend an Sie zurückgeben – das Publikationsdatum meines Blogposts liegt ganze 3 (!) Tage vor dem Heise-Beitrag […]. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels gab es nach intensiver Recherche keine deutschsprachigen Quellen seriöser Medien dazu – einzig der umstrittene Blog „Alles Schall und Rauch“ schrieb kurz über die Verhaftung des karikierenden Schülers. Aus diesem Grund mussten diverse französische Quellen gesichtet und übersetzt werden – und aus jenen ging überdies hervor, dass sich das zur Verhaftung führende Gesetz auf das französische Pressegesetz von 1881 beziehe. Leider liefert der Heise-Artikel keine konkrete Quellenangabe zu einem im November 2014 verabschiedeten Gesetz gegen die „Verharmlosung von Terrorismus“ , auf dessen Grundlage die Verhaftung konkret fußen soll. Ob dieses Gesetz eventuell als Erweiterung des 1881 geschaffenen Pressegesetzes fungiert oder keinen Bezug dazu hat, wäre interessant zu erfahren. Ich konnte zunächst lediglich den Gesetzesentwurf dazu finden.

Zugegeben haben jedoch einige Medien bereits kurz zuvor eine dpa-meldung über allgemeine Ermittlungen in Frankreich wegen „Verherrlichung von Terrorismus“ (ohne weitere Erläuterung) kommentarlos zitiert und auch über andere Einzefälle von „Verharmlosung von Terrorismus“ berichtet – so zum Beispiel die Süddeutsche, die den Fall vom ohnehin als antisemitisch bekannten Komiker Dieudonné M’bala M’bala aufzeigt, welcher nach einer Facebook-Äußerung über das Paris-Attentat wegen des gleichen Gesetzes verhaftet wurde.

Allerdings hat bis zum jetzigen Zeitpunkt immer noch keine deutschsprachige Zeitung (zumindest in ihrer Onlineausgabe) über den verhafteten Schüler gesprochen. Der Unterschied wie die Brisanz dieser Verhaftung liegen nämlich in meinen Augen in dem prinzipiell gleichen Fall von künstlerischer Meinungsäußerung durch Anfertigen einer Karikatur bei gleichzeitig völlig unterschiedlicher Strafzumessung derselben. Es stünde also selbst bei „schlechter Recherche“ immer noch die ungeklärte Frage im Raum, weshalb die gängigen Massenmedien Deutschlands darüber kein Wort verlieren geschweige denn eine Debatte zu dieser bigotten Auslegung von Meinungsfreiheit initiieren. Vielleicht mögen Sie dazu einmal Stellung nehmen?

Update 28.01.2015: Kondolenzbuch „Je suis Charlie“

Thematisch passend fand ich in der Uni recht einsam im Foyer stehend ein öffentliches  Kondolenzbuch mit einladendem „Je suis Charlie“- Schild vor – und so mancher Eintrag teilt die o.g. Kritik der (medialen) Gleichgültigkeit gegenüber vielen außerabendländischen Gewaltopfern. Sicherlich eine nette Geste, doch bei so manch anderem Anlass hätte ich ein ebensolches Kondolenzbuch auch sehr begrüßt.

charlie hebdo kondolenz-buch unije suis charlo universitaet kondolenz

„Charlie Hebdo“: aktuelle Ausgabe für 100 Euro bei Ebay

Es war absehbar, dass die französische Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ nach dem Attentat und insbesondere der medialen Aufmerksamkeit eine nie gekannte Nachfrage erhalten wird. Erscheinen normalerweise 60.000 Stück zu einem Preis zwischen 2 und 3 Euro pro Woche, so wird die erste Ausgabe nach dem Anschlag gleich in 3 millionenfacher (!) Auflage gedruckt. Dennoch war sie bereits am ersten Tag an vielen Kiosken landesweit ausverkauft. Sodann warf ich eben mal einen Blick auf Ebay und siehe da, die Ausgaben gehen nicht für unter 100 Euro weg. Teilweise werden gar sonderliche Angebote mit einem Startpreis von 1000 (!) Euro eingestellt:

PS: eine schwarzer Jutebeutel mit dem Aufdruck „JE SUIS CHARLIE“ wurde auch schon über 50 mal verkauft für je 7,99€ das Stück. Business as usal.

Nachtrag 20.01.2015: massiver Wertverlust beobachtbar

In welch schnelllebiger Zeit wir leben, zeigt ein heutiger Blick nach Ebay. War nach dem unglaublichen Hype um Charlie Hebdo dessen Ausgabe letzte Woche noch 100 Euro wert, so ging sie eben gerade in einer Auktion für 18 Euro weg. Ein geschäftstüchtiger Verkäufer aus Frankreich bietet sie indes massentauglich zum Sofortkaufen für 30 Euro pro Ausgabe an – und konnte schon 76 Exemplare veräußern. Einfach nur unfassbar – vor allem weil absehbar ist, dass die Zeitung in einiger Zeit für einen einstelligen Eurobetrag den Besitzer wechseln wird…

charlie hebdo ebay wertverfall

Nachtrag 25.01.2015: Charlie Hebdo Ausgabe stabilisiert sich vorerst bei rund 20€ pro Ausgabe

Ein heutiger Blick in die elektronische Bucht verrät, dass sich der Preis zu stabilisieren scheint – zumindest vorerst. Denn die meisten Sofort-Kaufen Angebote liegen alle zwischen 18 und 20 Euro. Eine Auktion der Ausgabe ging gerade für 22,50 Euro weg – obwohl zahlreiche Sofort-Kauf-Angebote deutlich günstiger waren; das zeigt vielleicht auch ein bisschen den irrationalen Charakter beim Bieten auf einer Auktionsplattform, Stichwort „Bietfieber„.

Nachtrag 29.01.2015: Preis bleibt stabil bei etwa 20€ im Sofortkauf

Wer heute nach Charlie Hebdo bei ebay Ausschau hält, muss durchschnittlich immer noch 20 Euro bezahlen beim Sofortkauf. Teilweise auch nur 15, dann stellenweise wieder 25. Es scheint sich langsam einzupendeln, doch es fragt sich wie lange – die Wissensschmiede bleibt am Ball und berichtet bald wieder. Allerdings gibt es auch immer noch scherzhafte Schwachsinnsangebote von 10.000 Euro pro Ausgabe.

Nachtrag 14.02.2015: Ausgabe für unter 10 Euro

Eine Auktion steht gerade bei 3 Euro Startpreis, läuft noch 10 Minuten und hat 0 Gebote! Bei einer Sofortkauf-Aktion gibt es die Ausgabe für 8,50 € inkl. Versand – und wurde schon 229 mal verkauft.

Update: ich empfehle in diesem Zusammenhang auch den nachfolgenden Blogbeitrag zum Thema der bigotten Meinungsfreiheit in Frankreich nach dem Charlie Hebdo Anschlag, wo jetzt ein Schüler wegen einer parodistischen Karikatur von Charlie Hebdo verhaftet wurde!

Weshalb es noch nie Sozialismus geben konnte

Zur Verteidigung der marxschen Idee wird folgend in einem kurzen Gedankenexkurs gezeigt, weshalb die selbst unter Geschichtswissenschaftlern weit verbreitete Annahme vom angeblich schon vorhandenen oder gar gescheiterten Sozialismus irrt. Unstrittig ist, dass Marx ein geschichtsphilosophisches Modell entwarf, nach dem der Mensch in seiner ersten historischen Epoche in dem von ihm bezeichneten Urkommunismus (der Urgesellschaft, dem quasi marxistisch-historischen Pendant zum „klassischen Naturzustand“) noch klassenlos lebt, ehe sich daraus die Sklavenhaltergesellschaft entwickelte, der die Feudalgesellschaft folgte, welche wiederum in die bis heute andauernde Gegenwartsepoche des Kapitalismus mündete, dessen Nachfolger eines Tages das Gegenwartssystem ablöst und wie alle Epochen zuvor eine wesentliche Verbesserung zum Vergangenen darstellt sowie eine völlig neue Ordnung hervorbringt – die laut Marx eben die Epoche des Sozialismus wäre und die selbst wiederum in den Kommunismus münde. Da wir aber bis heute eine globalkapitalistische Gesellschaft vorfinden, kann doch auch ihr postkapitalistischer Nachfolger Sozialismus bisher unmöglich in Erscheinung getreten sein – gleich wie im historischen Hochfeudalismus niemals kapitalistisch hätte produziert werden können, so wenig hat bisher der Sozialismus irgendwo in der von Marx und Engels postulierten Form existieren können; auch wenn sich einige autoritäre Regime zu Legitimationszwecken diesen Stempel verpassten (Vgl. DDR, UdSSR, China, Nordkorea, etc.).

tl;dr
Als hypothetische Nachfolgeepoche der Gegenwart kann und konnte sich der Sozialismus gegenwärtig schlecht vergegenwärtigen.

Beeindruckende Weltraumfotografie: Die „Säulen der Schöpfung“

Die US-Weltraumagentur NASA verblüffte diese Tage mit einer neuen Aufnahme aus dem Nebel-Sternenhaufen „Adlernebel“ durch das bekannte Weltraumteleskop „Hubble“. Dabei haben Computerprogramme vorherige Fotografien aus dem Jahre 1995 mit aktuellen Aufnahmen verrechnet, sodass sich ein wahrlich wundervolles Bildnis ergab – der theologisch anmutende Titel „Säulen der Schöpfung“ trägt diesen offziellen Namen mit Recht:

säulen_der_schöpfungDer Scienceblog hat weitere Bilder:

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Der Josephspfennig: Beispiel & Beleg für den zwangsläufigen Zusammenbruch eines zinsbasierten Geldsystems

Unser Geldsystem basiert auf einem mathematisch nachweisbaren Grundfehler: nämlich der Annahme, jeder verzinste Kredit könne mit Fleiß zurückgezahlt werden. Dabei trifft dies nur für einen Teil der Schuldner zu, denn egal wie sehr sich jemand engagiert, es MUSS immer Leute geben, die ihre Kreditschulden niemals zurückbezahlen können, egal wie sehr sie sich auch anstrengen. Dies hat seinen Grund in der mathematischen Tatsache, dass ein jedes verzinstes Geldvermögen exponentiell wächst, also Richtung Unendlichkeit. Die Basis für die Schuldentilgung kommt allerdings vom Wirtschaftswachstum, das nicht wie ein verzinster Geldsatz ebenso dauerhaft exponentiell wachsen kann – ganz einfach, weil Grund und Boden auf dem Planeten Erde begrenzt sind, eine Zinsschuld aber auf dem  Papier fröhlich weiter Richtung Unendlichkeit ohne Obergrenze wächst.

Langfristig gesehen kann deshalb ein großer Teil der weltweiten Verschuldung NIEMALS zurückbezahlt werden, denn dies verhindert der Strukturfehler im Zinssystem. Das heißt, in einem solchen Wirtschaftssystem MUSS es immer wieder zu schweren Krisen und Crashs führen, während nur eine Minderheit der richtig Reichen davon profitieren. Ein Beispiel für die Absurdität einer Zinsschuld sei folgend das Beispiel des Josefspfennig genannt. Hier zeigt sich, was innerhalb einer längeren Periode mit einem Pfennig passiert, wenn er vor 2000 Jahren zu Jesus Geburt angelegt worden ist und bis heute als Guthaben gewachsen wäre:

Der Josephspfennig als Grafik veranschaulicht:

josephspfennig_beispiel_zinskritik

Als leicht verständliches Einführungsvideo in die wissenschaftliche Zinskritik empfehle ich Vorträge von Prof. Bernd Senf:

Bernd Senf: Die Weltfinanzkrise – Tiefere Ursachen und not-wendige Veränderungen from Hans Fleischer on Vimeo.